Lieber Prof. Rauschenbeutel, vielen Dank für das Interview und Ihre Zeit. Können Sie sich kurz vorstellen und Ihren Hintergrund in der experimentellen Quantenphysik erläutern? Wie sind Sie auf dieses Forschungsgebiet aufmerksam geworden? Und was hat Sie dazu veranlasst, sich mit optischen Quanteneffekten zu befassen?
Mein Name ist Arno Rauschenbeutel und ich bin an der Humboldt-Universität Experimentalphysiker, leite dort die Arbeitsgruppe „Grundlagen der Optik und Photonik“ und wie bin ich auf das Forschungsgebiet aufmerksam geworden? Es war zufällig, während des Studiums am Imperial College in London bin ich an die Quanten-Optik gekommen. Das ist die Wechselwirkung von Licht und Materie auf der mikroskopischen Skala, also einzelne Lichtteilchen, die mit einzelnen Atomen und Molekülen wechselwirken, spielen da eine Rolle. So hab mich in dieses Gebiet verliebt. Das liegt auch immer an Personen. Ich hatte da einen Tutor, der mir das nahe gebracht hat und einen tollen Professor, Peter Knight, der motivierende Vorlesungen gehalten hat. Danach bin ich zurückgegangen nach Deutschland und hab mich beraten lassen, wohin ich gehen kann, wenn ich diese Art von Physik machen möchte und bin in Bonn gelandet, bei Dieter Meschede, am Institut für Angewandte Physik in der Universität Bonn.
Dort habe ich weitere Experimente in der Richtung gemacht, im Rahmen meiner Diplomarbeit, und das war die Zeit, wo dann die Quanten-Kommunikation und das Quanten Computing anfing en vouge zu sein und erste spannende Ergebnisse zu liefern. Dann habe ich gesagt, das will ich machen und hatte das Glück, dass Dieter Meschede mir dann eine Doktorandenstelle „vermittelt“ hat, in der Gruppe von Serge Haroche an der École normale supérieure in Paris, der dann später den Nobelpreis bekommen hat für die Manipulation von einzelnen Quanten-Teilchen und dort habe ich meine Doktorarbeit gemacht und bin dann einfach dabei geblieben. Ich habe fast von Anfang an die Entwicklung zur Quanten-Technology 2.0 verfolgt und weiß was dahinter steckt und was da für unglaubliche Fortschritte gemacht wurden.
Gerade bin ich als Gastforscher in Frankreich, Institut de Physique de Nice. Hier ist eine Arbeitsgruppe, die sich mit der Wechselwirkung von Licht mit ultrakalten Atomen beschäftigt, mit der wir zusammen ein Forschungsprojekt ins Leben rufen wollen.
Was sind die Hauptziele Ihrer Forschung und welche potenziellen Anwendungen sehen Sie für Ihre Erkenntnisse?
Zunächst einmal ist das Hauptziel diese Wechselwirkung von Licht und Materie auf der mikroskopischen Skala, also einzelne Lichtteilchen, die mit einzelnen Quanten von Atomen, Molekülen, oder künstlichen Atomen wechselwirken, zu untersuchen, auf der einen Seite und zu kontrollieren und nutzbar zu machen. Das Problem dabei ist, dass, wenn Sie mit einem Laserstrahl auf ein einzelnes Atom treffen und dann ein einzelnes Lichtteilchen dabei verfolgen könnten, dann ist die Chance, dass dieses Lichtteilchen genau mit diesem Atom wechselwirkt, also absorbiert und gestreut wird, sehr, sehr, sehr sehr klein. Das heißt, meistens passiert nichts. Was man aber möchte ist, dass diese Wechselwirkung, mit der man Licht zum Beispiel in Form von einzelnen Photonen vielleicht erzeugen kann oder verarbeiten kann, mit hoher Wahrscheinlichkeit deterministisch stattfindet. Was wir dafür machen müssen, ist, dass wir dem Licht nicht erlauben, an dem Atom vorbei zu kommen. Und wie erreicht man das? Indem man das Licht ganz stark fokussiert, also so stark fokussiert, dass der Schatten vom Atom, wenn Sie sich das Atom jetzt als kleine Scheibe vorstellen, so groß wird, wie der Fokus vom Licht und was man dann aber als Preis dafür bezahlt, ist, dass das nur an einem einzelnen Punkt funktionieren wird, nämlich genau im Fokus. Weil wenn sie nicht stark fokussieren, dann divergiert es auch schnell wieder. Es ist dann nur in einem Punkt im Raum so stark eingeschnürt, dass sie diese effiziente Wechselwirkung erreichen. Was wir jetzt als Pioniertat demonstriert haben, war, dass wir Licht mit Hilfe von Glasfasern, die wir unglaublich dünn ziehen, wie einen Kaugummi immer dünner und dünner, bis deren Durchmesser kleiner ist, als die Wellenlänge des Lichtes, dass wir das Licht so stark einschnüren können, dass wenn wir dann Atome an die Oberfläche dieser Glasfasern setzen, das Licht auch an diesem Atom nicht vorbeikommt. Jetzt ist aber der Vorteil, dass sie eine lange Schnur haben, an der sie jetzt viele Atome aufreihen können. Das Licht kommt an keinem dieser Atome vorbei. Das heißt, Sie erhöhen diese Wechselwirkung nicht nur durch das Einschnüren, sondern auch durch die Zahl der Atome und können dann kollektive Strahlungseffekte ausnutzen.
Wie kann man sich das genauer in der Anwendung vorstellen?
Zunächst einmal ist grundsätzlich diese Schnittstelle zwischen Quantenemittern, wie Atome und Moleküle, die in der Lage sind, einzelne Lichtteilchen auszusenden und die man dann für Quanten-Technologie verwenden will, solche Schnittstellen sind technisch einfach notwendig. Wenn man Informationen auf einem USB Stick speichern will, braucht man auch eine USB-Schnittstelle und wir haben eine optische Schnittstelle erzeugt, mit der wir Licht sehr effizient an Atome koppeln können. Das ist zum einen interessant, um Quantenlicht zu erzeugen, was dann schon in Glasfaser auch propagiert. Das ist das charmante an diesem Ansatz, dass sie das Licht nicht erst nachdem sie es erzeugt haben, in eine Glasfaser einkoppeln müssen, weil es immer verlustbehaftet ist, sondern dass das Ganze schon in einer normalen Glasfaser passiert, die nur dünn gemacht wird, an einer Stelle. Das ist ein technischer Vorteil. Das andere ist, dass sie Atome dann auch als Speicher verbinden können für das Licht, was durch die Glasfasern läuft. Das hört sich jetzt nicht so spannend an. Zwischenspeicherung von Information ist in der normalen Informationsverarbeitung etwas ganz normales. Sie können auf Ihrer Festplatte Information speichern und später abrufen und weiterverarbeiten, aber es stellt sich heraus, dass in der Quantenwelt das anders ist und dass man nicht so einfach Informationen kopieren kann.
Das, was man mit normalen Informationsträger machen kann, das Information von der Festplatte auf USB Stick kopieren und dann an zwei Orten hat, das funktioniert nicht. Deshalb braucht man sogenannte Quantenspeicher, die diese Probleme umgehen oder erlauben, trotzdem Information über lange Strecken zu transportieren. Denn wenn sie Licht über Glasfaser als Informationsträger schicken, dann sind bei der normalen Informationsverarbeitung immer Zwischenverstärkerstufen in der Kommunikationstrecke, denn die Glasfasern sind zwar unglaublich transparent, also sie können über 100 Kilometer Licht schicken und es fehlen nur 2/3 von der von der ursprünglichen Leistung. Das ist toll. Aber wenn man über den Atlantik will, dann wäre auf der anderen Seite des Atlantik nicht genug Licht da, um damit zu arbeiten. Deshalb hat man auf so einer langen Kommunikationsstrecke Zwischenverstärker und diese Zwischenverstärker gibt es in der Form nicht, in der in der Quantenmechanik. Sie können Signale nicht einfach verstärken. Das klingt seltsam ist, ist aber so und man muss es einfach hinnehmen. Aber es gibt auch Tricks und diese Tricks lassen sich eben mit Ensembles von Atomen zum Beispiel realisieren, die dann das Licht zwischenspeichern und wieder abrufen lassen.
Man braucht dann sogenannte Quanten Repeater. Ich möchte aber betonen, dass das, was wir machen, Grundlagenforschung ist. Nicht nur, wir haben tatsächlich zum 01.10.2023 ein Projekt gestartet, was das erste angewandte Projekt ist, wo wir also versprochen haben, einen Prototypen zu fertigen und es ist auch nicht das erste Mal in meiner Karriere. Das Spannende ist eben, wenn man so ein System, wie ich es beschrieben habe, realisiert und dann anfängt zu untersuchen und wirklich im Detail zu verstehen, dann stößt man – und das ist uns passiert – auf neue Physik, also dass das nicht auf Effekte getroffen, die niemand auf dem Radar hatte. Das ist vielleicht ein weiteres Hauptziel unserer Arbeit. Also Erkenntnisgewinn, um das Verständnis der Wechselwirkung von Licht mit Atomen noch zu erweitern. Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass meine Arbeitsgruppe an einer Universität angesiedelt ist und damit unser Auftrag ganz klar auch die Lehre ist. Das heißt, wir sind nicht ein Forschungsinstitut an der Humboldt-Universität, sondern ein Lehr- und Forschungsinstitut. Die sicherste Bank, was das Ziel unserer Arbeit angeht, ist eigentlich die Ausbildung von hervorragend ausgebildeten Physikerinnen und Physikern, die dann an verschiedensten Stellen ihr Wissen und ihr Können einsetzen können, zum Wohle der Gesellschaft.
Quantentechnologien sind in den letzten Jahren ein viel diskutiertes Thema gewesen. Wie wichtig ist Quantenphysik, Ihrer Meinung nach, für die Gestaltung zukünftiger Technologien und wissenschaftliche Durchbrüche?
Man kann festhalten, dass die Quantenphysik für die heutigen Technologien und viele der wissenschaftlichen Durchbrüche, die in den letzten 100 Jahren gemacht wurden, eine der Hauptsäulen ist. Unsere Wirtschaft und unser Wohlstand beruht zum größten Teil auf Quantenphysik. Da spricht man von Quantentechnologie 1.0, sozusagen die traditionelle Quantentechnologie und da sei genannt Halbleiterphysik, also integrierte elektronische Schaltkreise, Laser für die Kommunikation über lange Strecken, Kernspintomographie in der Medizin. Das sind jetzt nur drei Beispiele von Technologien, die enorm wichtig sind für unsere moderne Kommunikationsgesellschaft und die ohne das Verständnis der mikroskopischen Welt nicht möglich gewesen wäre. Ihre Frage zielt jetzt ja mehr darauf ab, inwieweit diese neueren Entwicklungen jetzt für die Gestaltung von zukünftigen Technologien und wissenschaftlichen Durchbrüchen wichtig sind. Da spricht man von der Quantentechnologie 2.0, die jetzt im Entstehen ist oder schon entstanden ist, zum Teil. Diese Quantentechnologie 2.0 geht noch mal weiter in der Ausnutzung von Quanteneffekten. Quantentechnologie 1.0 hat viel damit zu tun, dass man die diskreten Energieniveaus und Energiezustände von Elektronen in Materie und bei Atomen verstanden hat und dann nutzbar gemacht hat. Jetzt geht es um Technologien, bei denen man ausnutzt, dass man einzelne Quantensysteme, einzelne Ionen, Atome, auch kleine mesoskopische Systeme, die sich verhalten wie ein einzelnes Atom, nutzt, um die Gesetze der Quantenmechanik, die für diese Quantenzustände dieser Systeme gelten, auszunutzen, um Probleme oder Aufgaben effizienter zu lösen, genauer zu messen oder empfindlicher zu messen, als das mit den herkömmlichen Technologien möglich ist. Das ist ohne Zweifel etwas, was schon erfolgreich ist und erfolgreich sein wird. Zum Beispiel die Metrologie, die mit Hilfe von Quantenzuständen, verschränkten Zuständen, gequetschte Zustände, die erlauben Gravitationswellen zu detektieren, ein Effekt, der von Einstein vorhergesagt wurde und nachdem die Menschheit lange, lange gesucht hat.
Das heißt, es gibt schon Beispiele von Anwendungen, bei denen die Quantentechnologie 2.0 die Voraussetzung ist und das überhaupt erst ermöglicht hat. Es gibt auch Quantenkommunikationssysteme, bei denen man mit Hilfe von Quanteneffekten eine abhörsichere Kommunikation gewährleisten kann, die konzeptionell auf einem anderen Niveau als die normale abhörsichere Kommunikation ist, die wir haben, wenn wir https oben in der Browserzeile stehen haben. Weil wir aufgrund der Gesetze der Physik sicher sein können, dass da kein Lauschangriff auf unsere Kommunikation stattgefunden hat oder stattfindet. Auch das funktioniert. Da ist das im Augenblick Ausstehende noch, das wir noch nicht in der Lage sind, diese Verstärkerstufen praktisch zu realisieren. Man weiß konzeptionell, wie das funktionieren soll, aber die technische Umsetzung ist eine enorme Herausforderung, wo große Konsortien sich damit beschäftigen, das zu realisieren.
Wie sieht es mit Quantencomputern aus, wie kommen diese ins Spiel?
Das ist vielleicht das höchste Ziel oder anspruchsvolles Ziel, auf das hingearbeitet wird. Der Quantencomputer verspricht, bestimmte Probleme zu lösen, die mit klassischen Computern in einer sinnvollen Zeit nicht zu lösen sind, weil die klassischen Algorithmen einfach zu lange bräuchten, um diese Rechnungen durchzuführen. Hier gibt es im Augenblick auch fantastische Fortschritte. Es ist allerdings nicht einfach vorherzusagen, ob wir irgendwann einen Quantencomputer zur Verfügung haben werden, der tatsächlich Probleme, die wir mit Großrechnern nicht lösen können, dann lösen wird. Da ist auch noch viel Grundlagenforschung notwendig, um die vorhandenen Konzepte tatsächlich technisch umzusetzen. Dann können wir sagen: Das ist aber ein großes Risiko, wenn man nicht weiß, ob das denn funktionieren wird, soll man da so viel Zeit und Geld reinstecken?
Man kann aber sagen, dass diese Anstrengung, an der sich Hunderte von Arbeitsgruppen und inzwischen auch Startups und große Firmen und wirklich die großen Tech-Player beteiligen, wird auch zu unerwarteten Ergebnissen führen. Wir begeben uns da auf ein Terrain, wo wir Quantenzustände in einer Komplexität manipulieren, wie es nie zuvor in der Menschheit, aber auch in der Natur möglich war. Ob am Ende dieses Ziel, was jetzt als Motivation zunächst einmal dasteht, also der Quantencomputer, der die klassische Kryptographie knackt, erreicht wird. Selbst wenn das nicht der Fall wäre, würde man auf dem Weg dahin sehr, sehr wertvolle Erkenntnisse machen, die möglicherweise zu ganz anderen Anwendungen führen, als die, die man zunächst einmal im Blick hat.
Es ist also auch ein Lotterie-Faktor. Bei manchen vergleichbaren großen Unternehmungen sind Nebenprodukte entstanden, die enorm wichtig für die zukünftigen Technologien waren. Ein Beispiel ist die Mondlandung. Das war angeblich eine der besten Investitionen der Menschheit. Für diese Mondlandung mussten Computertechnologien entwickelt werden. Das hat die USA weit vorangebracht und wir sehen, wo heute die größte Kompetenz und die größte Marktmacht der Computertechnologie liegt.
Eine der Anwendungen zum Beispiel, wo jetzt gezeigt wird, dass es einen Quantenvorteil geben kann, wäre auch das Maschinenlernen. Das heißt, dass man genau so viel CO2 emittiert mit Rechenzentren wie mit dem gesamten Flugverkehr weltweit. Da stellt sich die Frage: Gibt es vielleicht effizientere Methoden der Informationsverarbeitung? Das ist ja ein handfestes Problem. Durch das Surfen auf Internetseiten verbrauchen wir inzwischen große Datenmengen und damit aber auch letztlich Energie. Dann muss man irgendwann auch anfangen, sich darüber Gedanken zu machen. Möglicherweise könnte man irgendwann einmal vielleicht auch Energie effizienter berechnen. Da muss man sehr aufpassen, im Kleinen mag das so aussehen, als seien Quantencomputer vielleicht effizient, weil dazu Quanten, also die kleinsten möglichen Energien, verwendet werden, um Manipulationen an Zuständen durchzuführen. Bis heute ist aber der technische Overhead so unglaublich groß. Man hat eine Riesenmaschine stehen, die gekühlt werden muss, auf tiefe Temperaturen, große Laser-Systeme werden benötigt und so weiter. Der Energieeinsatz für das, was die Maschinen heute können, ist entsetzlich ineffizient. Aber grundsätzlich ist es denkbar, dass man energieeffizienter arbeitet.
Welche Herausforderungen und Chancen bestehen darin, Quantenkonzepte in praktische Anwendungen umzusetzen?
Die Chancen haben wir gerade schon gut beleuchtet. Aber was sind eben die Herausforderungen? Man muss sich das so vorstellen, dass um ein Quotensystem nutzen zu können und es ungeheuer empfindlich zu messen, bedeutet es ja auch, dass dieses System ungeheuer empfindlich auf Störeinflüsse ist. Die Störeinflüsse in den Griff zu bekommen, sodass eine Verarbeitung von Quanteninformationen zum Beispiel am Quantencomputer nicht verhageln, ist eine enorme Herausforderung.
Da kann man erstmal sagen, wir kühlen jetzt das ganze System auf sehr tiefen Temperaturen etc. Selbst dann gibt es noch fundamentale Probleme. Da gab es einen Durchbruch, das ist die sogenannte Quanten-Fehlerkorrektur, die etwas anscheinend davor unmöglich Erscheinendes möglich macht. Dass man in der Lage ist, Fehler, die durch solche Störungen entstehen, zu detektieren und zu korrigieren. Das hört sich jetzt wieder einfach an, also in den Computern, die wir jetzt hier gerade nutzen, passiert das die ganze Zeit, dass man Information redundant speichert und dann in der Lage ist, wenn einzelne Bits umklappen, diesen Fehler zu detektieren und zu korrigieren. Aber in der Quantenwelt ist das nicht leicht möglich. Bei der Quanten-Fehlerkorrektur gibt es jetzt erste sehr ermutigende Ergebnisse, wo es tatsächlich funktioniert hat, dass man mit fehlerkorrigierten Quantenbits rechnet. Das ist noch eine enorme Herausforderung, weil es alles viel, viel komplexer macht. Man arbeitet nicht, um eine Null oder Eins zu codieren, oder wie in der Quantenmechanik Null und Eins, somit eben nicht mit einem einzelnen Ion oder einem einzelnen Atom, sondern man braucht dann ein Dutzend oder noch mehr, die dann gemeinsam eine sogenannte logische Eins kodieren. Sowas macht das ganze enorm komplex und je komplexer die Quantenzustände werden, desto fragiler werden sie auch. Man kann sich das dann so vorstellen, dass bei einer Quantenrechnung der Quantencomputer im schlimmsten Fall Zustände durchläuft, die vergleichbar sind mit einer Schrödinger-Katze. Das ist ja ein Beispiel, was Schrödinger gebracht hat, um die Diskrepanz zwischen der Quantenwelt und der makroskopischen Welt, die uns umgibt, zu illustrieren – also, dass wir nicht Katzen sehen, die gleichzeitig tot und lebendig sind. Aber so ein Quantencomputer muss solche Zustände, wo er gleichzeitig einen Zustand und einen anderen hat, die aber sehr unterschiedlich sind, also fast wie tot und lebendig, eben aufrechterhalten. Ob das gelingt, ist auf einer Skala, wo es halt technisch interessant wird und relevant wird, um wirklich Rechnungen durchzuführen, also digitale Quantenrechnungen durchzuführen, das muss noch gezeigt werden. Was aber sicherlich ein spannendes Feld ist und nicht so stark leidet – in Anführungszeichen – unter dieser Fehleranfälligkeit, sind sogenannte Quantensimulationen. Das muss jetzt man unterscheiden: Quanten-Rechnungen und Quanten-Simulationen. Das ist nicht das Gleiche. Man kann es so vergleichen, wie in der klassischen Welt ein digitaler Computer oder ein Windkanal. Warum hat man den Windkanal erfunden oder den Strömungskanal für Boote? Weil zu der Zeit man noch gar keine Rechner zur Verfügung hatte oder die Rechner noch nicht mächtig genug waren, um die hydrodynamischen Gleichungen, die notwendig sind, zu lösen, um den Fluss von Wasser um einen Tanker herum zu berechnen oder die Strömung an einem Flugzeug zu berechnen. Das war einfach nicht möglich. Und was macht man dann? Man macht eine Simulation, also man macht ein Modell und dann guckt man sich an einem sehr kontrollierten System im Windkanal an, wie die Strömung fließt. Diese Idee hat Richard Feynman aufgebracht und das war vielleicht die Geburtsstunde auch der Quanteninformationsverarbeitung. Wenn man so will, also um Quanteneffekte, die relevant sind für uns, wie Superleitungen als Beispiel, im Detail zu verstehen, hat man das Problem, dass diese Quanteneffekte in einem Material stattfinden, was ich nicht verändern kann. Das heißt, man kann da draufgucken, aber die Untersuchungen, die ich daran machen kann, sind begrenzt. Wenn ich jetzt in der Lage bin, ein Quantensystem zusammenzubauen aus einzelnen Konstituenten, auf die man Zugriff hat und die dann aber in ihrer Dynamik sich verhalten, wie dieser Festkörper in dem Superleitung stattfindet, dann habe ich die Möglichkeit im Mikroskopischen zu verstehen, was da passiert, zum einen und zum anderen auch Parameter zu variieren, was ich jetzt beim normalen Material nicht so einfach kann.
Dann kann man vielleicht Zusammensetzungen von Legierungen ändern oder ähnliches, aber es ist nicht so, dass man in situ einen bestimmten Parameter kontrolliert ändern kann. Ein solcher Quantensimulator, wo man ein komplexes System nachbaut, aber in einer Art und Weise, dass man viel mehr Kontrolle darüber hat und Parameter ändern kann und im einzelnen messen kann – das ist ein Ansatz, der für mich sicherlich vielversprechend ist und uns noch Einsichten und Fortschritte bringen wird.
Berlin hat als Zentrum für Quantenforschung immer mehr Anerkennung erfahren. Wie fördert das Berliner Ökosystem Fortschritte auf diesem Gebiet und wie trägt die Berliner Quantum Alliance zur Zusammenarbeit in der Quantenforschung bei?
Also ich bin ja noch gar nicht so lange da. Ich bin 2019 umgezogen nach Berlin und hatte eine Angebot aus Berlin, was mich überzeugt hat, und Teil der Überzeugungskraft war eben diese wissenschaftliche Landschaft, die es da gibt. Und das ist eben so, dass in Berlin, gerade da, wo jetzt das Institut für Physik der Humboldt-Universität in Adlershof, es einen großen Technologiepark gibt, mit vielen, vielen Firmen, die in den optischen Technologien sehr stark sind und kleine und mittlere Unternehmen, die also Hightech produzieren und entwickeln und dieser Standort für optische Technologien ist sehr, sehr stark in Berlin.
Und die optischen Technologien sind die Voraussetzung für Quanten-Technologie. Also, man kann vielleicht im Kleinen auch ohne Licht auskommen, aber sobald sie kommunizieren wollen oder auch arbeiten, also Computer, Quantencomputer und Chips verkoppeln wollen, braucht man Licht. Das ist also auf der auf der Technologie- und Industrie-Seite und auf der Universitäts-Seite gibt es eben auch viele Gruppen, die sich beschäftigen mit der Kontrolle der Wechselwirkung von Licht mit Materie oder auf der theoretischen Ebene eben mit der Beschreibung der Dynamik von diesen Wechselwirkungsprozessen und auch der Entwicklung von Algorithmen oder Benchmarks für Quantenobjekte. Und das ist sicherlich eine sehr, sehr gute Voraussetzung, um da was Größeres, als jetzt schon da ist, noch zu schaffen. Und da haben wir jetzt das große Glück, dass eben das Land Berlin uns das Vertrauen entgegengebracht hat und das Geld gegeben hat, um diese Berlin Quantum Alliance ins Leben zu rufen.
Und das Ziel ist da wirklich diese Kompetenzen zu bündeln. Also man darf nicht unterschätzen, wie groß die Hürde ist, gemeinsam etwas zu machen. Das muss man einfach so sagen. Also Berlin hat zwar drei Universitäten, aber die Entfernung ist jetzt auch nicht kleiner, als wenn ich von Bonn nach Köln fahre, um von der einen zur anderen Universität zu kommen und da eine Struktur zu haben, die es ermöglicht, diese Kompetenzen zu bündeln und auch ein Begegnungsort, um diesen Deep Quantum Hub zu schaffen. Das wird hoffentlich ermöglichen, dass wir gemeinsam mehr erreichen, als zuvor. Und wir wollen halt auch mit diesen Mitteln noch neue Köpfe nach Berlin holen, es gibt Mittel für neue Berufungen, um da auch noch mal Lücken zu schließen. Es ist so, dass es bis heute in Berlin keine experimentelle Plattform gibt, die wirklich so eine Quanten-Simulation oder ein Quantum-Rechnen durchführen könnte.
Und da gibt es halt spannende Ansätze und wir würden sehr gerne eine Arbeitsgruppe in der experimentellen Physik haben, die diese Lücke schließt und so eine Plattform beisteuert. Und dann in der Theorie eben auch eine Arbeitsgruppe, die sich mit der Quanten-Software beschäftigt.
Wir haben über Berlin gesprochen. Die nächste Frage bezieht sich auf Deutschland. Wie schätzen Sie die Positionierung Deutschlands im Vergleich zu anderen Ländern in Bezug auf die Quanten-Forschung und -Entwicklung ein?
Okay, also zunächst mal ist Deutschland, was die Quantum-Forschung angeht, an vorderster Front. Also wir haben ein paar Zentren in Deutschland, die weltweit Sichtbarkeit haben und wo Leuchttürme der Wissenschaft wirken und wirklich an der Spitze ihres jeweiligen Feldes stehen. Das kann man, das kann man so sagen. Jetzt ist dieser nächste Schritt daraus jetzt aber Anwendungen zu machen, dann aber verbunden mit solchen Schritten wie Ausgründungen und an der Stelle, also wenn es darum geht, Startups zu gründen und zu versuchen, eine neue Idee in ein Produkt umzuwandeln, dann glaube ich, ist Deutschland nicht an der vordersten Front.
Da sehe ich schon, dass in anderen Ländern... Ich weiß nicht, ob man da risikofreudiger ist, ob die Strukturen besser sind? Ich muss sagen, dass ich mich nicht so gut auskenne, mit der Materie. Ich selber bin und werde auch in Zukunft nicht involviert sein in irgendeiner Ausgründung. Aus gutem Grund. Aber bei mir ist es einfach, weil ich gesehen habe, was es bedeutet, selbstständig zu sein.
Mein Vater hatte seine eigene Firma und ich bin sehr froh, dass ich die Freiheiten habe, die ich als Professor habe, aber gleichzeitig Beamter bin. Aber wenn ich jetzt das vergleiche, zum Beispiel mit Israel, das sind schon Welten. Also ich habe Kontakte nach Israel und sehe, da ist die Forschungslandschaft ganz anders, viel, viel flexibler, aktiver, was Ausgründungen angeht. Das heißt, da müssen wir noch nachholen, und das ist vielleicht auch eine kulturelle Sache, das kann ich schlecht sagen.
Das heißt also, eigentlich stehen wir sehr, sehr gut da. Also das ist ein riesiger Vorteil von Deutschland gegenüber anderen Ländern in Europa ist auch, dass die Forschung einen hohen Stellenwert hat und Partizipation – auch in der Politik. Das heißt also, man weiß einfach, dass die Förderung von Grundlagenforschung etwas ist, was für den zukünftigen Wohlstand unabdinglich ist und wenn gekürzt wird, dann muss man sagen, jetzt gerade wurde bei der Alexander-von-Humboldt-Stiftung eine Kürzung gemacht. Aber zunächst einmal ist es nicht so, dass man einfach mal so, ich weiß nicht, den Forschungs-Etat um die Hälfte zusammenstreicht, wie es durchaus in anderen Ländern passiert ist. Das heißt also, die Planbarkeit, die wir in Deutschland haben, und die Verlässlichkeit der Forschungsförderung sowie die Wertschätzung der Grundlagenforschung, das sehe ich schon als großen Vorteil.
Bleiben wir beim internationalen Blick auf das Feld: Welche gemeinsamen Projekte oder Initiativen gibt es zwischen Deutschland und anderen Ländern, um das globale Netzwerk für Quanten-Forschung zu stärken?
Also zunächst einmal haben wir eine sehr, sehr schlagkräftige Forschungsförderung innerhalb der Europäischen Union. Und da gab es schon lange Rahmen-Programme, in denen Forschung, die mehr angewandt war, gefördert wurde. Aber seit dem Einsetzen des Europäischen Forschungsrates wird auch Grundlagenforschung durch die Europäische Union gefördert. Das ist ein sehr, sehr wichtiges Mittel, um über die Grenzen hinweg eine Zusammenarbeit zu fördern. Und da habe ich eigentlich immer dran partizipiert und profitiert davon. Wenn es jetzt um Forschungs-Kollaborationen über die europäischen Grenzen hinaus geht, dann ist das schon nicht mehr so einfach. Es gibt tatsächlich mit Israel engere Forschungs-Kollaborationen, weil es binationale Programme gibt, die gefördert werden von der deutschen Forschungs-Gemeinschaft, aber auch von der „German Israel Foundation“, um eben eine Zusammenarbeit auf wissenschaftlicher Ebene zu fördern, auch im Rahmen der Versöhnung und Wiedergutmachung. Also ich hab Zusammenarbeit mit Forschern aus Israel in der Vergangenheit schon gehabt und auch gerade Anträge laufen.
Aus meiner Sicht ist eine solche Zusammenarbeit, nicht nur mit Israel, sondern auch mit anderen Ländern nicht nur deshalb fruchtbar, weil man die Zahl der Leute erweitert oder die Zahl der wirklichen Zusammenarbeiten, sondern auch verschiedenen Kulturen zusammenkommen.
Ich habe das eben gesagt, mit Israel, das da eine ganz andere Herangehensweise an die Verwertung der Forschungsergebnisse ist, als bei uns. Und ich habe in Frankreich promoviert und auch in England studiert und stelle halt fest, dass diese Systeme alle ihre Eigenheiten haben und dass man da durchaus, wenn man die Kräfte zusammenführt, auch mehr erreicht, als jeder für sich.
Schauen wir noch zum Schluss auf die nächste Generation: Für angehende Forscherinnen und Forscher, die sich für die experimentelle Quantenphysik interessieren, welche Ratschläge würden Sie denen geben und welche Ressourcen würden Sie empfehlen, um ihr Verständnis auf diesem Gebiet zu vertiefen?
Man überträgt ja immer was von dem, was man selber erfahren hat oder wie es sich für mich selber gestaltet hat, auf die Allgemeinheit. Und ich habe zum einen das Gefühl, dass es sehr, sehr sinnvoll ist, wenn man sich ein Gebiet sucht, in dem es noch ein großes Entwicklungspotenzial gibt und die Komplexität der experimentellen, aufbauenden Physik noch nicht so weit fortgeschritten ist, dass es schwierig wird, selber, wenn man dann noch unabhängig wird, einzusteigen in dieses Gebiet.
Also es gibt zum Beispiel im Gebiet der ultrakalten Atome, inzwischen experimentelle Aufbauten von einer Komplexität, dass selbst mit einem Ruf an eine Universität nicht genug Geld rüberkommt, dass man so ein Experiment aufbauen könnte. Und ich selber habe das Glück gehabt, dass ich durch Beobachtung des Stands der Technik und dann durch Zusammenbringen von zwei Technologien, die gerade im Entstehen waren, etwas erreicht habe, also ein neues Forschungsfeld mit ins Leben gerufen habe und das ist natürlich das Beste, was einem passieren kann.
Das Problem ist, dass sich sowas schwer planen lässt und man darf nicht wegdiskutieren, dass es eine Unwägbarkeit gibt, bei so einer akademischen Karriere. Also es ist einfach so, das ich ein Riesenglück gehabt habe, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein und dann auch bei der Realisierung der ersten Experimente Glück gehabt hab. Das stellt sich jetzt im Nachhinein eigentlich erst raus: Hat also funktioniert, aber dann stellt man fest, wenn man es anders macht, funktioniert es nicht. Man hat einfach Glück gehabt, dass man es so gemacht hat. Und das heißt, das ist natürlich der Charme der Forschung, aber auf der anderen Seite natürlich auch ein Risiko, wenn man darauf seine Zukunft aufbauen möchte. Und deshalb würde ich sagen, das hört sich jetzt fast negativ an, aber ich sag's trotzdem immer so. Ich glaube, man sollte in die akademische Laufbahn nur dann einsteigen, wenn man sich nichts anderes vorstellen kann.
Also wenn die tollen Seiten der akademischen Welt so wichtig und bereichernd erscheinen, dass man bereit ist, diese Nachteile der Unwägbarkeiten und auch das, was einem abverlangt wird an Arbeitseinsatz und Flexibilität, dann eben als gerechtfertigt ansieht.
Vielen Dank für Ihre Zeit und die spannenden Einblicke, Professor Rauschenbeutel.