Dr. Christian Freier

08 Dezember 2023

Lieber Herr Freier, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für unsere Fragen genommen haben. Stellen Sie sich doch bitte einmal vor.

Ich bin Physiker und Mitgründer von Nomad Atomics einem Startup, dass sich auf sog. Quantensensoren spezialisiert. Ich habe 2017 meinen Doktor in Physik an der Humboldt-Universität gemacht und war danach als Postdoc an der Australian National University (ANU) in Canberra, Australien, tätig. Seit 2020 arbeite ich am Aufbau von Nomad Atomics, erst in Australien und nun in Berlin.

Wie kam es zur Gründung von Nomad Atomics, welche Herausforderungen will Ihr Unternehmen angehen und auf welche Lösungen fokussieren Sie sich?

Schon während meiner Forschungsarbeit an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Australian National University haben mich die möglichen Anwendungen besonders gereizt. Es ging dort um Präzisions­messungen mit sog. Atominterferometern, deren Genauigkeit im Labor schon extrem hoch war. Die Herausforderung lag darin, aus Laborexperimenten kompakte und robuste Sensoren zu machen. Letztere ermöglichen dann aber spannende Anwendungen in der Ressourcenexploration, Navigation und den Geowissenschaften. An der ANU kam 2020 mit zwei gleichgesinnten Postdocs und nun Mitgründern sowie einem Startup-Inkubator eine ausgezeichnete Konstellation zusammen, um diese Entwicklung in einem Startup voranzubringen.

Welche Vorteile gegenüber klassischen Sensoren haben Ihre modernen Quantensensoren und in welchen Bereichen kommen diese zum Einsatz?

Die Vorteile von atomaren Quantensensoren liegen in der ausgezeichneten Genauigkeit, Präzision sowie der Perspektive, alle Komponenten für mobile Anwendungen in kompakte und robuste Formfaktoren zu integrieren. Aktuell konzentrieren wir uns auf die Entwicklung eines portablen Quantengravimeters zur Feldmessung von Dichteänderungen im Untergrund. Verglichen mit klassischen Sensoren werden solche Dichteänderungen erstmals auch über längere Zeiträume praktisch messbar.

Erste Anwendungsfelder liegen im Ressourcensektor, wie z. B. der Exploration von Lagerstätten. Wir sind aber auch sehr interessiert an neuartigen Anwendungen wie der Messung von Grundwasser-Neubildung oder der Überwachung der „Dichtigkeit“ von CO2-Lagerstätten im Untergrund. Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit der Entwicklung von Beschleunigungssensoren. Diese werden Teil von zukünftigen Navigationssystemen sein, die auch ohne GPS verlässlich funktionieren.


Der Hauptsitz von Nomad Atomics liegt in Australien. Woher kommt die Verbindung nach Berlin und schließlich die Gründung eines Zweitsitzes im Innovations- und Gründungszentrum Adlershof (IGZ)?

Eine Präsenz im europäischen Ökosystem für Quantentechnologien war uns wichtig. Berlin ist allgemein als europaweiter Hotspot für Start-ups bekannt, hat sich darüber hinaus aber auch zu einem Forschungs- und Innovationszentrum in Quantentechnologien entwickelt. Unsere eigene Verbindung zu Berlin kam durch meine Zeit an der Humboldt-Universität zustande. Das hat für uns einfach sehr gut zusammengepasst. Ausschlaggebende Faktoren für das IGZ waren für uns die räumliche Nähe zum Forschungsstandort Adlershof, das Networking mit anderen Unternehmen in den Bereichen Optik und Photonik sowie die Flexibilität in der Anmietung von Büro- und Laborräumen.

Das Themenfeld der optischen Technologien sowie der Sensorik im Speziellen sind eine der Stärken des Standorts Berlin. Wie kommt das?

Ich denke, dass hierfür mehrere Faktoren zusammenkommen. Berlin hat renommierte Universitäten und Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet, teilweise mit langer Tradition. Hinzu kommt eine Kultur der Innovation und Zusammenarbeit mit der Industrie. Diese wird durch Netzwerke, wie z. B. OptecBB, und durch regionale und nationale Förderprogramme kontinuierlich gestärkt. Allgemein ist Berlin durch seine zentrale Lage in Europa natürlich ein idealer Ort für internationale Zusammenarbeit und den Zugang zu europäischen Märkten.

Quantentechnologie ist ein aufstrebendes Thema: Wie würden Sie die Bedeutung von Quantenkommunikation und Quantenkryptographie für die Gesellschaft und die Technologieindustrie in den kommenden Jahren einschätzen? Wie steht Deutschland in diesem Feld, auch im Vergleich zu anderen Ländern, wie den USA, China oder etwa Australien, da?

Meiner Einschätzung nach wird Quantenkommunikation und -kryptographie, ähnlich wie auch die Quantensensorik, in den kommenden Jahren eine wachsende Rolle in verschiedenen Bereichen der Technologieindustrie spielen. Dies wird mittelfristig durch die „quantenfeste“ Absicherung verschlüsselter Kommunikation durch Quanten-Schlüsselübertragung erfolgen. Längerfristig könnte die direkte Übertragung von sog. Qubits zwischen Quantencomputern oder -sensoren transformativ sein.

Deutschland hat im QT-Bereich erhebliche Investitionen getätigt und verfügt über eine Reihe von führenden Forschungsinstituten sowie eine wachsende Startup-Szene in diesem Bereich. Die USA sind in der Quanteninformationstechnolgie traditionell führend, allerdings hat China in den letzten Jahren durch riesige Investitionen schnell aufgeholt. Viele Länder erkennen also das Potential der Quantentechnologie, und Deutschland sollte die Anstrengungen in diesem Bereich fortsetzen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.


Berlin wird oft als ein wichtiger Standort für Forschung und Innovation im Bereich der Quantentechnologie bezeichnet: Wie profitieren Sie vom QT-Ökosystem in Berlin?

Berlin kann hier ganz gut auf seine Stärken im Bereich Optik/Photonik aufbauen. Wir suchen natürlich den Kontakt mit lokalen Forschungsinstituten und Universitäten, um für die Quantensensorik relevante Forschungsergebnisse zu identifizieren und in innovative Produkte zu überführen. Da dies meistens einen langen Atem und beträchtliche Ressourcen voraussetzt, sind bei der Umsetzung solcher Vorhaben Förderprogramme oft wichtig, die es zum Glück auch gibt. Weiterhin hilft uns die Vernetzung mit anderen Teilnehmer:innen des QT-Ökosystems in der frühzeitigen Erkennung von Trends, potenziellen Partner:innen und Märkten. Letztlich ist der Ruf Berlins als Metropole im Herzen Europas auch bei der Talentsuche hilfreich.

Welche Vorteile bietet die Stadt Berlin Unternehmen für die Entwicklung und Umsetzung von Projekten, auch im Hinblick auf Förderbedingungen?

Die räumliche Nähe von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, wie z. B. im Technologiepark Adlershof, ist sicherlich ein Plus, insbesondere für Verbundprojekte. Neben den nationalen und EU-weiten Förderungen wären außerdem die regionalen Förderprogramme der Investitionsbank Berlin (IBB) zu nennen, die solche Projekte mit Zuschüssen oder Darlehen fördern kann. Weiterhin gibt es Angebote für KMU und Startups, wie z. B. Berlin Partner. Diese liefern Hilfestellung bei klassischen Herausforderungen wie der Vorbereitung von Businessplänen, Förderanträgen oder der Investor:innensuche.

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