15 Dezember 2023

Lieber Dr. Wicht, vielen Dank für das Interview und Ihre Zeit. Können Sie das Ferdinand-Braun-Institut und Ihren eigenen Arbeitsbereich für unsere Leser:innen vorstellen.

Das Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH), ist eine anwendungsorientierte Forschungseinrichtung auf den Gebieten der Hochfrequenzelektronik, Photonik und Quantenphysik. Wir erforschen und realisieren elektronische und optische Komponenten, Module und Systeme auf der Basis von Verbindungshalbleitern. Unsere Entwicklungen sind zentrale Komponenten für Anwendungen in den gesellschaftlichen Bedarfsfeldern Kommunikation, Energie, Gesundheit und Mobilität. Bei unseren F&E-Aktivitäten kooperieren wir eng mit Partnern aus der Industrie und der Wissenschaftscommunity – stets mit dem Ziel, Forschungsergebnisse rasch in die Anwendung zu bringen.

Ich selbst leite das Joint Lab Quantum Photonic Components und koordiniere den Forschungsbereich Integrierte Quantentechnologie. In diesem Forschungsfeld bearbeiten wir Themen, die auf Anwendungen in der Quantensensorik, im Quantencomputing, in der Quantenkommunikation und Quantennetzwerktechnologie zielen. Diese Forschungsaktivitäten finden im Rahmen von vier Joint Labs statt, die wir in enger Kooperation mit der Humboldt-Universität zu Berlin betreiben. Das Ferdinand-Braun-Institut nutzt dabei seine langjährige Expertise in der III/V-Halbleitertechnologie und Optoelektronik sowie seine weltweit einmalige hybride Mikrointegrationstechnologie. Wir verfügen zudem über eine exzellente technologische Infrastruktur mit Reinräumen und Laboren mit hochspezialisierter Ausstattung.


Welche Kernkompetenzen umfasst der allgemeine Forschungsbereich der Integrierten Quantentechnologie?

In der Quantensensorik bilden wir die komplette Kompetenzkette ab, vom Systemdesign bis zur Entwicklung spezieller Komponenten. Unsere Schwerpunkte liegen auf Komponentenebene bei der Miniaturisierung technischer Lösungen (Physics Packages, Lasermodule, Light Control Units), auf Systemebene (z. B. kompakte optische Atomuhren) sowie auf der Demonstration der Performance und Zuverlässigkeit der technischen Lösungen. Dies gilt insbesondere für den Einsatz im Weltraum. Die für die Quantensensorik entwickelten optoelektronischen Konzepte, Technologien und Lösungen, wie etwa kompakte und robuste schmalbandige Laser, werden auch im Quantencomputing mit kalten Atomen oder Ionen genutzt. Wichtige Kernkompetenzen sind das Design und die halbleitertechnologische Fertigung von optoelektronischen Bauelementen, besonders von Laserdioden und Modulatoren. Hinzu kommen die hybride Mikrointegration von photonischen Modulen (Lasern, Light Control Units), die UHV-taugliche hybride Mikrointegration von Optiken in miniaturisierten Physics Packages sowie spezielle Maßnahmen der Produktsicherung für die Forschung an und Realisierung von Hardware für den Einsatz im Weltraum.

Zudem entwickeln und fertigen wir Einzelphotonen-Quellen, die Defektzentren in verschiedenen Materialien nutzen, sowie weitere Funktionselemente, die für die Quantenkommunikation benötigt werden. Kernkompetenzen hier sind sowohl das photonische Design als auch spezielle, auf die verwendeten Materialsysteme (Diamant, SiC) angepasste Prozesse der Halbleitertechnologie. In Kooperation mit dem Joint-Lab-Partner an der HU Berlin charakterisieren wir die Performance dieser Komponenten.


Welche spezifischen Anwendungsgebiete werden derzeit am Ferdinand-Braun-Institut erforscht und welche Methodiken kommen bei dieser Arbeit zum Einsatz?

Das ist sehr umfangreich. Ich gebe Ihnen hier gerne einen Überblick für die drei Anwendungsbereiche, die bei uns im Fokus stehen:

  • In der Quantensensorik zielen unsere Entwicklungen auf
    • kompakte optische Atomuhren, atomare Ensembles bei Raumtemperatur, am Atomstrahl oder im optischen Gitter für den Einsatz in der Navigation, der Synchronisation von Netzwerken oder der Beobachtung des Klimawandels
    • Defekt-Zentren- und Gaszellen-basierte Magnetometer, z. B. für den Einsatz in der Medizintechnik oder Materialforschung
    • kompakte Einzelphotonen-Lichtquellen für die hyperspektrale Bildgebung im mittleren Infrarot und die quantenoptische Kohärenztomographie
    • quantum enhanced imaging für den nah-infraroten Wellenlängenbereich
  • Für die Quantenkommunikation entwickeln wir
    • Halbleiter-Komponenten und Module für die Erzeugung verschränkter Photonen mittels spontaneous parametric down conversion (SPDC)
    • Halbleiterkomponenten für Einzelphotonenerzeugung mittels Diamant- oder Siliziumcarbid-basierter Defektzentren
    • Zudem erforschen wir Konzepte für Quantenverstärker sowie deren technische Umsetzung.
  • Für das Atom- und Ion-basierte Quantencomputing entwickeln wir kompakte Diodenlaser-Module sowie kompakte und robuste Light Control Units (LCU), um kohärente Lichtpulse zu erzeugen und diese zu kontrollieren.

Gibt es dabei Unterschiede zu konventionellen Forschungsansätzen und Abläufen?

Die Halbleitertechnologie erlaubt es uns, sehr kompakte technische Lösungen herzustellen. Und: Die Fertigung mit diesen Verfahren ist skalierbar; es können also entsprechend große Stückzahlen produziert werden. Ein Alleinstellungsmerkmal ist die hybride Mikrointegrationstechnologie, die wir bei uns am Institut entwickelt haben. Sie ist in der demonstrierten Komplexität und Performance weltweit einzigartig.

Wie können die erzielten Forschungsergebnisse in Zukunft auf integrierbare Lösungen übertragen werden?

Wir verfolgen unterschiedliche Ansätze der Integration. Zunächst implementieren wir die größtmögliche technische Funktionalität, die innerhalb eines Materialsystems möglich ist. Wo dies nicht machbar ist, nutzen wir Verfahren der Heterointegration auf Waferebene, die wir für photonische Lösungen entwickeln. Dort, wo diese Heterointegration nicht oder noch nicht möglich ist beziehungsweise nicht die benötigte Performance erreicht, greifen wir auf die hybride Integration als Assembler-Technologie zurück. Indem wir diese Verfahren optimal kombinieren, erreichen wir die angestrebten Funktionalitäten und – sofern überhaupt machbar – auch die gewünschte Performance.

Was sind derzeit die Herausforderungen in der grundlagen- sowie anwendungsorientierten Forschung integrierter Quantentechnologien?

Der Komplexitätsgrad technischer Lösungen nimmt insbesondere im Rahmen der Miniaturisierung zu. Bei der ultra-präzisen hybriden Mikrointegration komplexer photonischer Module müssen wir gewährleisten, dass sie die nötige mechanische Stabilität behalten, auch wenn ihre Komplexität und Größe zunehmen. Parallel sind wir dabei, diese Mikrointegration in eine industrietaugliche Technologie zu überführen, um unsere Module in höheren Stückzahlen zuverlässig und schneller assemblieren zu können. Wir untersuchen zudem, wie wir zuverlässig und maßhaltig innerhalb von Ultrahoch-Vakuumumgebungen adhäsiv bonden können. Auch additive Verfahren spielen eine wichtige Rolle, die wir einsetzen wollen, um technische Lösungen weiter zu miniaturisieren.

Eine weitere Herausforderung ist die Heterointegration auf Waferebene mit Fragestellungen, auf die wir die optimalen Antworten suchen. Welche Materialsysteme eignen sich am besten für die Waferlevel-Integration von aktiven und passiven photonischen Funktionen? Falls Materialsysteme vorgegeben sind: Wie sehen geeignete Prozesse für die Fertigung der photonischen Strukturen und deren Heterointegration aus? Wie können wir Koppelverluste an Interfaces minimieren?


Könnten Sie uns mehr über die Joint Labs in Kooperation mit der Humboldt-Universität zu Berlin erzählen? Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Die HU Berlin ist vor vielen Jahren an uns herangetreten, auf der Suche nach kompakten und robusten Lasern für den Weltraumeinsatz. Die Diodenlaser-Technologie bietet die Möglichkeit, sehr kompakte und robuste Module für den gesamten Wellenlängenbereich zu realisieren, vom sehr nahen Infrarot bis in den blauen und UV-Spektralbereich. Dieser technische Zusammenhang führte vor mehr als zehn Jahren dazu, dass wir zunächst in Projekten im Bereich der Quantensensorik für den Weltraumeinsatz kooperiert haben. Das war so erfolgreich, dass wir diese Zusammenarbeit mit inzwischen vier Joint Labs immer weiter ausgebaut und verstetigt haben.

Welche Meilensteine konnten mit diesen Projektgruppen bereits erreicht werden?

Unsere F&E-Arbeiten haben seither insbesondere im Bereich der weltraumbasierten Quantensensorik bahnbrechende Fortschritte ermöglicht. So gelang unter anderem der Proof-of-Principle einer auf Rubidium basierenden optischen Atomuhr an Bord einer Höhenforschungsrakete, auch eine Iod-basierte Frequenzreferenz wurde erfolgreich demonstriert. Gleiches gilt für ein Bose-Einstein-Kondensat, das erstmalig mit unseren Lasermodulen im Weltraum demonstriert wurde. Die erstmalige Realisierung eines Materiewelleninterferometers an Bord einer Höhenforschungsrakete wäre ohne unsere Lasermodule nicht möglich gewesen.

Berlin gilt als wichtiger Standort für Technologie und Innovation. Inwiefern bietet der Standort zusätzliche Ressourcen für die Entwicklung und Umsetzung von Forschungsprojekten?

Die Forschung und Entwicklung am Standort Adlershof und in Berlin insgesamt profitieren von der großen Anzahl an universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Sie sind oft technisch komplementär aufgestellt und ergänzen sich daher gut. Berlin Partner sowie lokalen Netzwerke wie etwa OptecBB tragen wesentlich zur Vernetzung und zum Austausch bei. Förderprogramme der Investitionsbank Berlin unterstützen diese Zusammenarbeit lokaler Einrichtungen mit Partnern aus der Industrie. Mit der Berlin Quantum Alliance wird zudem die lokale Kooperation weiter verstärkt, insbesondere auch durch die Bereitstellung von Fördermitteln für F&E-Projekte mit Industriepartnern für die Quantentechnologien. Wir stellen auch fest, dass sich im Raum Berlin-Brandenburg inzwischen die ersten QT-Startups gegründet haben. Es gibt eine Reihe von lokal ansässigen Unternehmen aus dem Photonik-Sektor, die ebenfalls vom Entstehen eines QT-Industriesektors profitieren. Hinzu kommen überregionale Verbünde wie die Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland – die Geschäftsstelle sitzt in Berlin –, die die weitere Vernetzung im Hightech-Bereich, mit der FMD-QNC speziell auch für die Quantentechnologien, fördern.

Wie könnte man die Forschungsarbeit an Universitäten und Instituten auf nationaler und internationaler Ebene in Zukunft fördern und vorantreiben? Gibt es konkrete Ansätze, die vielleicht auch das Ferdinand-Braun-Institut begrüßen würde?

Nicht immer finden sich für alle Anforderungen in einem F&E-Vorhaben die geeigneten Projektpartner vor Ort. Wir würden es daher begrüßen, wenn lokale Fördermaßnahmen es mehr als bisher erlauben würden, auch Partner von außerhalb der Region oder sogar international einzubinden.

Für die Ausgründung von Spin-Offs brauchen wir Förderprogramme, die stärker als bisher Risiken akzeptieren. Die Risiken sind zum einen technischer Natur, weil wir uns hier in einem High-Tech-Feld bewegen, das zudem in vielen Aspekten im industriellen Sektor noch gar nicht verankert ist. Zum anderen agieren diese Startups in einem gerade erst entstehenden Markt. Die Fördermaßnahmen müssen daher insbesondere berücksichtigen, dass die Eigenmittel der Startups in der Regel überschaubar sind und der Break Even Point bei der Entwicklung eines Produktes später erreicht wird, als in Bereichen mit industrietauglichen Fertigungsverfahren und entwickelten Märkten.

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